Schwabmünchen Aus einem tragbaren Lautsprecher dröhnt Musik. Getanzt wird aber nicht im Gymnastikraum in der Turnhalle der Leonhard-Wagner-Schulen in Schwabmünchen. Die Musik brauchen die Sportler, um beim Aufwärmen in den Rhythmus zu kommen. Dann stellen sich die sechs Jungen und Mädchen in zwei Reihen auf. Die Beine haben sie leicht gespreizt, die nackten Füße fest auf den Boden gestemmt. Ganz plötzlich machen alle auf Kommando einen Schritt nach vorne und lassen ihre Handfläche kraftvoll durch die Luft sausen. Es folgt ein Kick und hörbares Ausschnaufen. Trainer Thomas Heiß bellt noch einmal ein Kommando auf koreanisch, gefolgt von einem "Das muss schneller gehen!". Die Disziplin der jungen Gruppe fortgeschrittener Kampfsportler beim Training ist förmlich zu spüren.
Inmitten dieser Gruppe, deren Mitglieder alle in schneeweiße Anzüge gehüllt sind, blitzt der schwarze Gürtel der 16-jährigen Jana Heiß hervor. Seitdem das junge Mädchen aus Schwabmünchen mit Taekwondo in Berührung kam, blickt sie stolz auf elf abgelegte Prüfungen zurück. Mit jeder darf man einen höheren Grad (Dan) führen, den die Farbe des Gürtels ausdrückt. "Die Anzahl der Formen, die man können muss, steigt mit jeder Dan-Prüfung an. Außerdem gibt es weniger Pausen zwischen den einzelnen Übungen, die man vorführt", erzählt sie.
In diesen anspruchsvollen Herausforderungen liegt auch der Reiz von Taekwondo für den 15 Jahre alten Raphael Götzfried aus Gennach. Schon von klein auf hat ihn der südkoreanische Sport völlig in den Bann gezogen. "Natürlich gibt es noch andere Leistungssportarten, aber man kann Taekwondo auch außerhalb des Trainings in wirklich ernsten Situationen nutzen." In so eine ist der Schüler glücklicherweise noch nie geraten. Doch sollte er tatsächlich einmal auf der Straße angegriffen werden, würde er sich dann auch mit den Techniken aus dem Training verteidigen. "Wenn man um seine Gesundheit fürchten muss, ist es nur logisch, sich selbst zu schützen."
Ähnlich denkt die 14 Jahre alte Aylin Albayrak aus Schwabmünchen. Zu Beginn wollte sie aus reiner Neugier in die vielfältige Sportart schnuppern. Das war vor acht Jahren. Heute ist die Gymnasiastin im traditionellen Taekwondo bereits mehrfache bayerische und deutsche Meisterin mit ihrer Synchronmannschaft, einer Disziplin, bei der es vor allem auf die Technik ankommt. Aylin trainiert hart für ihre Erfolge und besitzt mittlerweile den rot-schwarzen Gürtel. An die Prüfung dafür erinnert sie sich noch sehr gut. Da wurde sie zum ersten Mal vor eine besonders schwierige Aufgabe gestellt: "Ich musste einen Bruchtest durchführen, bei dem ich zwei Bretter - eines mit der Hand, das andere mit dem Fuß - durchschlagen musste."
Hart und ausdauernd arbeitet auch Anton Erward aus Untermeitingen. Der 16-Jährige betont, dass es bei dem Sport vor allem auf das Zusammenspiel verschiedener Elemente ankommt, um seine Technik zu präzisieren. "An Taekwondo fasziniert mich, dass man dabei so vieles benötigt, um gut darin zu sein. Neben Kraft, Ausdauer und Technik muss man die Abläufe der ausgeführten Übungen auch gut koordinieren können", sagt er.
Etwas zurückhaltender wirkt dagegen die 15-jährige Sarah Büttner aus Schwabmünchen. Doch der Schein trügt. Sie ließ sich rasch von der Vielseitigkeit beim Taekwondo einnehmen. Bereits acht Prüfungen hat die Schülerin abgelegt und mit Ehrgeiz den roten Gürtel erlangt. Ihre Ausdauer hat sich ausgezahlt, denn mit ihrer Synchronmannschaft bestieg sie im Rahmen der German-Martial-Art-Games sogar das Siegertreppchen. Doch obwohl sie so erfolgreich ist, bleibt immer etwas Aufregung im Spiel: "Meistens bin ich nervös, bevor die Prüfung oder Meisterschaft beginnt. Deswegen versuche ich mir immer bewusst zu machen, dass ich gut trainiert habe und deshalb nicht aufgeregt sein muss."
Ganz schön viel wurde auch der 16-jährigen Janina Heyking abverlangt, als es für sie darum ging, den nächsten sportlichen Schritt zu beschreiten. Erst vor Kurzem wurde das Mädchen mit einer doppelten Herausforderung konfrontiert. Die Jugendliche aus Scherstetten musste nämlich neben ihrem Können auch ihre Fantasie unter Beweis stellen, um sich nun den rot-schwarzen Gürtel umbinden zu dürfen. Um bei den Übungen auch die Konzentration zu fördern, stellte sie sich auch eingebildeten Gegnern. "Bei meiner letzten Prüfung musste ich zeigen, dass ich alle acht Hyongs laufen kann. Bei einem Hyong kämpft man gegen einen oder mehrere imaginäre Gegner", erklärt sie. Die Anstrengung habe sich für sie definitiv gelohnt. Immerhin war Janina schon bei zahlreichen nationalen und internationalen Meisterschaften vertreten. Bei ihrer letzten Meisterschaft, den internationalen German-Championhips, erreichte sie den ersten Platz im Synchronlauf und den zweiten Platz im traditionellen Formenlauf. Im kommenden Jahr möchte sie noch ein paar Höhepunkte erreichen, denn von ihrem großen Ziel - dem Schwarzgurt - ist die 16-Jährige nicht mehr weit entfernt.
Name Bei Taekwondo handelt es sich um einen koreanischen Kampfsport. Die drei Silben des Begriffs stehen für Fußtechnik (Tae), Handtechnik (Kwon) und Weg (Do).
Herkunft Taekwondo-ähnliche Praktiken existierten in Korea schon vor mehr als 2000 Jahren. In seiner heutigen Form gibt es die unbewaffnete Selbstverteidigung seit 1955. Sie wurde von General Choi Hong-hi unter Einfluss des japanischen Shotokan-Karate entwickelt.
Aufbau Die besondere Balance zwischen Hand- und Fußtechniken und die unendlichen Möglichkeiten, diese im Kampf miteinander zu kombinieren, machen diese Kampfkunst· für die Sportler zu einer ausgewogenen körperlichen sowie geistigen Herausforderung.
Situation heute Heutzutage steht besonders der Freikampf im Fokus, doch auch der Formenlauf findet immer mehr Anhänger. Bei den olympischen Sommerspielen in Sydney im Jahr 2000 wurde Taekwondo offiziell als Disziplin aufgenommen.